Mittwoch, 19. Oktober 2011

Carmen Gauger: Celan u.a.


Celan


Im Alp der Suchjahre
zerklimmst du
muttergerissen
heimattot
den blauaschigen Abhang zum Shoahhimmel
und knirschst die zerstobenen Väter
den Wegsöhnen
ins losinnernde Hirn

Dein Bittermesser
schabst du
orakelblass
frevelnd
an der gehäuteten Liebe der Deinen
für die Gehenna kein Ort ist
du Wegströmender
Seine aufwärts





Wildapfelbaum


Schlanke Stämmchen spalieren
feldsäumend auf schmaler Allee
jenen wilden Apfelbaum
der jährlich die Vögel rief
und mit rotweißen Blüten
auf kahlen spitzen Stielen
dem Urahn Frühling verhieß
Bienenweide seine Krone

Unter schattigem Laubdach
tanzten kleine Holzäpfel
dankbar den Erntereigen
mit den Kindern des Gutes
ehe auf ihre Schürzen
die Gabe des Baumes fiel

Jegliche Wetter schlugen
schwächten den wilden Apfel
der mit knorrigen Armen
und verdornenden Fingern
die ihn vorm Wild schirmenden
Büsche und Sträucher schützte

Als seine graubraune Rinde riss
stieß er den Rumpf erdwärts
wie ein vom Wetter gegerbter
ausgedienter Tagelöhner
sich festklammernd am Leben
das er Jahrhunderte hielt

Ein Schauspiel den Gaffern
die auch den Sterbenden
im Netz leuchtend ausstellen
auf dem geborstenen Stamm
Sprösslinge der Voyeure
triumphierend wie Sieger

Als ich gestern den Baum sah
auseinandergebrochen
wusste ich
die schmächtigen Stämmchen
werden sich seiner erinnern
mit großen Äpfeln werfend


Linden

Auf meinem Wanderweg
Tret ich ins kühle Längshaus ein
Besäult von Linden
dreimal so alt wie ich
Und ihre Wurzeln brüten schon am Seitenschiff
Und ihre Früchte warten auf den Wind
Um anderswo ein neues Haus zu gründen
Doch selten noch findst du die eine
Die Dörflern neugierig
Dach und Podest gewesen ist
Wo man auf Brautschau ging
Und seiner Liebsten eine Myrte flocht
Wo eine Obrigkeit die Säumigen zur Ordnung rief
Und mit dem Schwerte richtete
Der Blütenduft der Linde hat manches Urteil mildern können

Nach Kriegen pflanzt man eine Friedenslinde
Den Baum der Liebe und der Eintracht
Und aus der Freya Linde wurd` lignum sacrum
Im Rosenkranz Maria
Des Riemenschneiders letztes Bild
Zu dem wir steigen
Mühselig und beladen
Um uns zu laben
In heißer Sommerszeit in Franken






Frau Carmen Gauger Dettmannsdorf

Text aus dem Schreibwettbewerb Friedenslesung 2011 des Kulturring in Berlin e.V.

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