Es hat geschellt, aber keiner von uns kümmert sich darum. Es tobt der tägliche Krieg im Klassenzimmer. Es ist laut. Einige schreien herum, oder lachen. Irgendwo hört jemand Musik. Der Streber wird wieder von den anderen Jungs gepiesackt. Warum nicht? Ist sonst ja keiner da!
Niemand sitzt auf seinem Platz oder kramt Bücher raus. Wofür auch? Überall liegen Trinktütchen, Papier oder Essensreste herum. Pünktlich betritt die Lehrerin das Zimmer. Sie wird mit Kreide beworfen, doch die scheint das nicht zu merken, oder ignoriert das einfach. Ist auch besser so.
Sie klatscht in die Hände. „Jetzt setzt euch mal bitte alle hin! Der Unterricht fängt jetzt an!“ Doch niemand regt sich. Später, nach vielen Diskussionen, und einigem Hin und Her, laufen die Mädchen über und bequemen sich hinzusetzen. Es sind meistens die Mädchen, die kapitulieren. Wer weiß warum?
Dann geht es los. Mit was? Hab ich vergessen. Ich beobachte die hoch motivierte Lehrerin. Ist neu, hat Ideale. Wie lange noch?
Wie lange wird sie brauchen bis sie resigniert, wie manch anderer, meist älterer Lehrer, der durch den Gang schlurft und die Jahre bis zur Rente zählt?
Die Zeit will nicht vergehen. Ich schaue auf die Uhr über der Tür. Man sieht dort noch den Schmutzrand von einem Kreuz, dass dort mal irgendwann hing, es aber schon lange nicht mehr tut. Ich beobachte genau den Sekundenzeiger. Wie das Ticken einer Zeitbombe, läuft auch die Zeit der Schulstunde ab.
Dann gibt die Alte uns auch noch Hausaufgaben auf. Das hat uns gerade noch gefehlt, wie ist die denn drauf?
Wir stehen auf, ballen die Hände und brüllen durcheinander. Aus Protest. Wir demonstrieren gegen die Hausaufgaben.
Wir sollen einen Aufsatz über das Thema „Frieden“ schreiben.
„Scheißfrieden, Mann“, sag ich zu meinem Sitznachbarn. Dann klingelt es und unsere Proteste gehen in dem allgemeinen Lärm unter. Die Lehrerin macht sich schnell aus dem Staub. Hat wohl Angst, wir würden sie lynchen.
Dann geh ich nach Hause. Scheißhausaufgaben. Muss erstmal checken, was überhaupt „Frieden“ bedeutet. Wen interessiert das schon, außer der Scheißlehrerin?
Ich googel „Frieden“ und der Computer spuckt mir die Erklärung mitten ins Gesicht: „Frieden ist ein heilsamer Zustand der Stille.“ Oh Mann, wie langweilig ist das denn? „Frieden ist die Abwesenheit von Krieg!“ Ich glaub ich schlaf ein! Was bitte, soll ich darüber schreiben? Hat jemand ‘ne Idee?
Ist wohl alles Friede, Freude, Eierkuchen, oder was? Null Aktion, null Spannung, null Krawall! Nichts kracht oder wird zerstört. Hm, mir fällt nichts ein.
Dann schalte ich den Fernseher an. Ich brauche Ablenkung. Ich zappe mich durch unzählige Kanäle und bleibe bei den Nachrichten hängen. Eine friedvolle Demonstration eskaliert. Habt ihr euch mal gefragt warum? Frieden ist nichts Dauerhaftes, Mann. Letztendlich regiert das Chaos! Voll die krasse Straßenschlacht geht da ab. Schwarzvermummte gegen Polizisten. Da hat keiner einen Plan. Voll verschärft! Aber ist lustig zuzusehen. Jemand karrt dort einen Einkaufswagen mit Pflastersteinen an, als könnte man die im Supermarkt kaufen. Ich hätte dann mal gerne 100 Kilo Pflastersteine. Aber gute Qualität, um möglichst viele Bullen platt zu machen! Geil! Und dann fangen sie an zu werfen. Die Steine fliegen durch die Luft und hageln auf alles nieder, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hat. Wer da zwischen die Fronten gerät, hat Pech gehabt.
Ey Alter, ist schon heftig! Aber, hatte ich nicht Recht? Ohne Krieg, keine Nachrichten. Schon mal dran gedacht wie viel Arbeitsplätze verloren gingen, wenn es nichts mehr über Krisengebiete zu berichten gäbe, hä? Oder wie viele Arbeitsplätze alleine die Waffenindustrie schafft, hä? Und überhaupt!
Und die Friedensindustrie? Gibt’s die?
Tja, na ja, aber ganz so asi bin ich auch nicht. Will mal meinen guten Willen zeigen. Ich raffe mich auf, mein dreckiges Geschirr in die Spüle zu stellen und leere den Aschbecher. Frieden fängt im Kleinen an, denke ich. Also warum nicht mit dem Hausfrieden anfangen? Vielleicht schreib ich ja darüber was.
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