Montag, 8. August 2011

Kathrin Schulz: Nur ein Film?


Hier ist es so still.
Keine Bomben.
Mein Fenster steht offen. Ich atme. Luft.
Sommerluft. Warm, staubig. Der Himmel ist purpur. An den Rändern.
Ich lehne mich vor, übers Fensterbrett, spähe in den Hof. Trotz Höhenangst.
Ein Innenhof, ohne Bäume. Nur wer ganz oben wohnt, direkt unterm Dach, kann ein Stück des Horizonts sehen. Ich...
Viele Fenster. Drei nur sind erleuchtet.
Ein Kind weint leise. Oder lacht?
Ein Fernseher brummt.
Meiner nicht, den habe ich auf den Flur gestellt. Vor fünf Minuten erst. Mit einem Pappschild versehen: „Zu verschenken“.
Draußen wieder Stille. Totenstille.
Aber keine Bomben. Kein Geruch nach verbranntem Fleisch. Gefühlt, nicht gerochen. Wenigstens das.
Ein Film. Nur ein Film! Die Angst kribbelt mir noch im Nacken, läuft den Rücken hinunter, die Wirbelsäule entlang, wie eine Zecke, haarig dick, die unter die Haut geht, die sich nicht abschütteln, nicht absammeln lässt. Meine Hände sind zu ungelenk. Ich...
Ein Film! Nur ein Film.
Und doch der Wahrheit so nah. Dort, nicht hier.
Ich? - fühle mich einsam. In dieser großen Stadt, die so schön sein könnte. Und es manchmal auch ist. Manchmal. Manchmal nicht. Nur groß ist sie immer.
Und niemand da, den ich anrufen könnte.
Großstadtstille im leeren Zimmer.
Kein Fliegeralarm, keine hässlichen Fratzen, die lügen, aneinander herumzerren, um ihr Leben schreien.
In der Wohnung gegenüber steht meine Nachbarin. Ebenfalls am Fenster. Die, die ich immer montags am Glascontainer treffen. Ich lächle, winke ihr zu. Doch sie starrt durch mich hindurch. In den Himmel.
Lauscht auch sie nach Bomberpiloten?
Ich werde sie nicht mehr grüßen, beschließe ich, ziehe die Hand zurück.
Ist nur mein Film, nicht ihrer?
Den Impuls unterdrückend, mit dem Fuß gegen die Wand zu treten, verschließe ich die Augen, das Fenster. Mich. Werde versuchen, zu schlafen.
Jetzt. Hier.
Während anderswo...
Bomberpiloten! Im Krieg.


(20,0 P.)

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