Sonntag, 9. Januar 2011

Pascal Cziborra; Lebenswelten

Wider den Terror
Sitzt die Muslima
Im Terrarium.
Und sitzt den Streik
Mit ihrem Hintern ab.
Abendländisch Brot
Verweigert sie
Bis Sonnenuntergang
Sollen andere
Das Laufrad bewegen.
Das Glas an das
Die platten Nasen drücken
Putzt sie nicht.
Keinen Finger
Macht sie mehr mondsichelkrumm.
Sagt sie sich. -
Ihr werdet euch putzen!
Denkt sie,
Nicht auf deutsch.
Konfus ist ihre Welt im Kasten.
Ein bisschen Sand aus Antalya
Unter den nackten Zehen
Kreuzkümmel als ein Gruß aus Äthiopien,
Exotische Pflanzen
Aus einer Düsseldorfer Zoohandlung.
Und in einer Ecke:
Taubes Gestein,
Ein Souvenir aus dem Bamyan-Tal.
Ansonsten:
Stubenarrest
Verschleierungszwang
Musikverbot.

Das Terrarium sprengt unsere Vorstellungskraft und unsere Fantasie.
Wie zwei stolze, unüberwindbare, am Himmel schabende
Beseelte Buddhafiguren fallen sie
In sich zusammen.
Wider den Terror sitzt
Die Muslima im Terrarium und betet zu Allah
Für Juden, Christen, Hindus und Buddhisten;
Und andersgläubige Minderheiten
Wie freiheitsgläubige Frauen.
Sie betet zu Allah auf einem alten Tibetteppich
Und stellt für die, die starben kleine Lichter auf.
Sie schaut hinaus aus ihrem Kasten
Der  nicht so recht
In irgendeine Schublade passt;
Den man nicht zur Seite
In eine Nische schieben kann,
So dass er hier
Unter dem Fenster stehen muss
Dass man sie sieht -
Und, dass sie schauen kann
Hinaus
In andere Lebenswelten.
Wider den Terror sitzt die Muslima
Im Terrarium. Weit ab vom Hindukusch.
Die Einen halten sie für eine dumme Kuh,
Die Anderen sprechen sie heilig.
Betend entschleiert sie uns
Unsere Welt.
 
aus dem Lyrikband Seelensegel Lorbeer Verlag. Lemgo. 2005

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