Ihr Rücken schmerzt, ein Stachel sticht brennend in ihre Wirbelsäule. Sie richtet sich auf, reibt sich die wunde Stelle. Das Mädchen blickt um sich. Die Wiese ist auf ein kleines Viereck geschrumpft, begrenzt von einem schwarzen Zaun aus wallendem Draht, der sie drohend anstarrt. Das ehemals saftige Gras hat sich zu einem gelben, beissenden Torso verwandelt. Ihr Körperabdruck ist in den Boden gepresst, ein kleiner Käfer liegt zerquetscht an der Stelle, an der sich soeben noch ihr Kopf in das weiche Grün geschmiegt hatte. Sie entdeckt einen schwarzen Blutstropfen auf dem staubigen Gelb; daneben liegt der graue Stachel einer schadenfrohen Pflanze. Die Sonne brennt auf ihrer weißen Haut – beinahe schmerzend weht der Wind kleine Sandkörner auf ihre gereizten Oberschenkel. Sie hat Durst, läuft zum Wasser, will sich abkühlen. Doch das schwarze, schleimige Rinnsal blickt sie nur schuldbewusst an und setzt leise röchelnd seine auswegslose Flucht vor der schreienden Sonne fort.
Einen Moment lang gehörten sie ihr allein: Israels Farben.
Sie hört Stimmen. Menschen. Soldaten. Sie beginnt zu begreifen. Jetzt muss alles schnell gehen. Sie schließt die Augen. Ihre Erinnerung greift nach der flinken Ameise, der neugierigen Spinne, den streichelnden, grünen Grashalmen; sie holt die bunten Blumenblüten, die weißen Wolken, den plätschernden Fluss wieder in sich zurück. Sie will auch den Geruch haben - und das Gefühl. Doch die Staubwolke, die sich von dem mächtigen Zaun ihren Weg auf das Mädchen zubahnt, ist schneller. Die Dunkelheit umfasst die Erinnerung.
Zwei Soldaten laufen auf das Mädchen zu, sie halten eine Decke in den Händen.
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