Freitag, 1. April 2011

Fluke Finn: Dino und der Holzengel



Die Spieltiere saßen vor dem Fernseher. Sie konnten sich auf kein Programm einigen und gerieten in Streit.
„Ich bestimme! Ich bin die Älteste“, sagte die Schildkröte.
„Du bist nur ein Billigprodukt aus China“, erwiderte ein gepflegter Affe mit Knopf im Ohr. „Hier entscheiden die Qualitätstiere!“
„Was soll das heißen?“ empörte sich die weiße Wolke aus Frottee. „Alle Spielzeuge sind gleich. Ich als Wolke bin die Leistungsträgerin unter uns. Sieben Jahre Einschlafhilfe und Traumberatung. Ich gebe das Programm an! Doch ich beuge mich freiwillig der Mehrheit“, fügte sie hinzu, denn als Wolke ließ sie sich gern treiben.
„Ruhe!“ befahl Professorin Euler und drehte ihren Kopf eindrucksvoll rund herum. „Wie ihr seht, ist mein Blickwinkel am größten, die Mehrheit aber dumm. Ich habe die Entscheidungsgewalt!“
„Hoho“, fauchte Dino, der Saurier, „ich bin am stärksten!“
Er peitschte mit dem geschuppten Schwanz und schaltete in einen Privatsender. Monster kämpften gegeneinander. Tod und Teufel, Dino war gebannt. Alle Anderen wurden sich plötzlich über das Programm einig: diese Sendung wollten sie nicht sehen. Doch was tun?

Der gepflegte Affe äußerte sich verächtlich über die unkultivierten Steinzeitmethoden des Sauriers und suchte seinen Flammenwerfer aus gebürstetem Edelstahl. Die Schildkröte machte die Augen zu und versteckte sich unter ihrem Panzer. Die weiße Wolke wartete ab, denn der Wind hatte gedreht. Professorin Euler zeigte sich besorgt über Feuerzeuge in Affenpfoten und Fernbedienungen in Saurierklauen. Ein schüchternes Schmuseschaf holte eiligst den Holzengel herbei. Der war Außenminister im Ruhestand und nun als Diplomat im Haus­halt tätig.
Der Holzengel setzte sich neben Dino und sagte freundlich: „Ich will auch was sehen, rutsch mal ein Stück.“
Dino grunzte unwillig und starrte auf den Bildschirm. Die Anderen hielten den Atem an. Wollte sich der Holzengel etwa mit dem Saurier verbrüdern?
Irgendwann seufzte der Engel. „Bin ich froh, dass du da bist!“
Dino horchte misstrauisch auf. „Wie meinst du das?“ fragte er böse.

„Du bereicherst die Artenvielfalt und solltest unter Naturschutz stehen, das ist meine ehrliche Meinung“, antwortete der Engel.
Dino knurrte unverständlich.
„Habe ich dir eigentlich gesagt, wie leid mir die Sache mit dem Stern tut?“ fragte der Holzengel.
Nun kam die Sache ans Licht, die in Sauriers Eingeweiden so finster brodelte, schon seit Jahren, ach was, seit Jahrtausenden! Der Holzengel berichtete, dass er damals zu dieser Gruppe von jungen wilden Engeln gehört hatte. Die wollten alles besser machen, jeden trüben Stern zum Glänzen bringen. Was nicht heilig war, sollte wenigstens scheinheilig werden. Beim allgemeinen Reinemachen rutschte ein unhandlicher Meteorit vom Himmel und schlug auf der Erde ein. Dadurch starben die Saurier praktisch aus. Es gab nur noch seltene, äußerst wertvolle Exemplare. Eins davon war Dino.
Alle schwiegen betroffen.

Dino ist älter als ich, dachte die Schildkröte.
Er hat Qualität nicht nötig, er ist authentisch, dachte der Affe.
Es gibt Wolken, die sehen aus wie Saurier, dachte die weiße Wolke.
Er guckt Monster, weil er seine Geschwister vermisst, dachte das Schmuseschaf.
Professorin Euler aber sprach: „Sehr geehrter Herr Dino, würden Sie uns allen erzählen, wie Sie es geschafft haben zu überleben?“
Dino staunte. Geehrt hatte ihn noch niemand! Für die Anderen war er immer nur „der olle Saurier“ gewesen. Er machte das Fernsehen aus, ringelte seinen Schwanz bequem ein, kratzte sich die Schuppen und erzählte von Tod und Teufel, Engel und Gewalten.

Denn jede Gewalt hat eine Geschichte. Man muss sie erzählen, um Frieden zu finden. Man muss ihr zuhören, um Freunde zu werden.







(23,7 P.)

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