Erika; Hauptschullehrerin
Ort: Schule
Nicht schon wieder. Keine Stunde in der er nicht stört. Nicht mit mir! Von dem lasse ich mir meinen Unterricht nicht kaputt machen, von dem nicht. - Ruhig Erika, nicht provozieren lassen, wartet der nur drauf. Wie er es versteht alle mit seinen Bemerkungen gegen mich aufzuwiegeln. Quatscht die ganze Zeit dieser Schnösel.
Es reicht, werd ihn aufstehen und wiederholen lassen.
Kai; Schüler
Kotzt mich sau ihr Gequatsche. - Yeah, jetzt hat Jasmin wieder geguckt, sieht hammersüß aus.
Was sagt die Tusse da vorne? Wir hätten den Krieg angefangen – wir? Ich bin nicht wir!
Wenn Jasmin jetzt noch mal guckt, dann … Scheiße ich muss aufstehen. Wie war das noch? Ja, Polen, Einmarsch 1939. Komm doch nur dran, weil sie mich nicht leiden kann.
Nun pass auf Tusse. Werd fragen, ob wir uns hier alle schuldig fühlen sollen, weil so Beknackte mal Cowboy und Indianer spielen wollten. - Ey, Cowboy und Indianer, voll krass, da guckste, wa?
Erika
Ignorieren - am Besten links liegen lassen.
Blicke in die Augen, bis sie aufhören mit dem Gekicher.
Wofür mache ich das hier eigentlich?! Tja, die Alten wollen sich nicht erinnern, die Jungen interessieren sich nicht. - Wir mussten Aufsätze schreiben: Können wir aus der Geschichte lernen. - Da hieß es lernen, lernen, lernen.
Mist, habe für Deutsch kopieren vergessen - muss ich in der Pause machen.
Verlange ich zuviel? Daten und Fakten können sie sich doch wohl merken, oder! Zeige in der nächsten Stunde die KZ-Bilder, vielleicht begreifen sie dann.
Frage stellen: Waren alle Nazis damals? Nein besser: Gab es in der deutschen Bevölkerung auch Widerstand?
Kai
Die hat was gegen mich … mir doch egal.
Weiß schon was über die Nazis, weiß ich von Oma. Oma sollte mal hierher kommen, echte Erlebnisse hatte die, echte Erlebnisse wie im Film. Die könnte was erzählen.
Hört ihr ja keiner zu bei uns. Mein Alter sagt immer: Ach Mutter, lass doch die Vergangenheit ruhen.
Immer voll gestresst mein Alter, voll genervt. - Mensch hat der mich angeschrieen, als ich ihn fragte, warum er zum Bund - wär doch Kacke die Uniform - die ganzen Befehle und so. Schreit mich an, soll meine Schnauze halten, ich Versager.
Hätte Oma nie gesagt. Oma ist voll in Ordnung.
Erika
Fleißiger Junge Alexander, meldet sich immer. Kein Vergleich zu diesem Kai. Frag mich
warum ich immer die Sitzenbleiber … Vorbildlich der Alexander, loben, damit die anderen sich ein Beispiel nehmen. Sieh mal an, von Anne Frank weiß er.
Mensch, immer dieser Zeitdruck - wir müssen heute durch.
Kai
Ach nee … Jasmin smiled Alex an. Ey, steht die etwa auf den Streber?!
Erika
Null Konzentration, hören Alexander überhaupt nicht zu. Wenn einige nicht die Kurve kriegen, seh ich schwarz für eine Lehrstelle.
Hat gut reden mein Mann - sagt der, was regste dich auf, Erika; in zwei Jahren gehste in Pension. - Desto jünger, desto besser sind sie zu führen, aber achte Klasse?
Verdammte Kopfschmerzen - bin mit den Korrekturen heut Nacht nicht durch - wieder ein Wochenende für die Katz.
Sind zu laut! Ständig ermahnen - was hab ich das über.
Vergess bloß nicht Hausaufgaben aufzugeben. Das mit dem Widerstand, das müssen sie schreiben. Können mal das Internet für wirklich wichtige Dinge nutzen; nicht dieser Schrott, von dem sie dauernd quatschen.
Kai
Spinnt die? Morgen ne Mathearbeit, Freitag Bio, Mittwoch der Aufsatz?! Hat die sie noch alle? - Typisch, keiner sagt was … Schleimer! Meld ich mich, krieg ich zu hören: Ob ich schon wieder was zum Diskutieren hätte. - Internet! Kann sie mir ja kaufen, Scheiß-Frau. -
Werd Jasmin nachher einfach anquatschen, ob sie Zeit hätte und so, ihr von meiner Oma erzählen, was die im Krieg erlebt hat mit den Nazis. - Ob die Oma mal kennen lernen will? Das wär geil.
Marga; Großmutter von Kai
Ort: zu Hause
Was hat der für verrückte Gedanken der Junge - sollte in die Schule. Geht doch nicht. Mit vierundachtzig biste kein junges Mädchen mehr.
Jetzt wollen sie mich aufnehmen, erzählen soll ich. Na, dann wollen wir mal.
Wer ist sie noch mal? Jasmin? Ja, Jasmin. Ein nettes Mädchen, lustige bunte Haare.
Kai hat sich wohl in sie verguckt. Ja ja, die Liebe … heute haben sie es ja leichter.
Muss mich erstmal sortieren - kann nicht sofort - hab so lange nicht drüber gesprochen. Macht mich ganz durcheinander … aber reden will ich. Müssen doch wissen die Kinder, wie das war im Krieg, all das Elend und dann dieser furchtbare Hass - Gott, dass Menschen so hassen können.
Dieser Schweinehund von Hitler … was haben sie dem zugejubelt - die Jungen sich verführen lassen. Bernd konnte nicht schnell genug an die Front - haben ihn nie wieder …
Sollen mich erstmal alleine lassen … muss mich erstmal sammeln.
Wie lieb er zu mir ist, guter Junge. Hat schon seine Last mit seinem Vater. Seine Mutter ja schon früh davon, zu einem anderen – wer will das verstehen …
War doch ganz anders bei mir - schreckliche Zeit. Vater im Krieg, Mutter mit uns alleine auf dem Hof, Bernd und ich die Ältesten. Harte Arbeit war das … konnten das gar nicht alleine schaffen.
Zwei, nein drei, waren es am Anfang, alle aus Polen. Fremdarbeiter nannte man sie - welch ein Hohn!
Sein Bruder vor Erschöpfung tot auf dem Feld zusammengebrochen … Jakob weinte. Ich hatte noch nie einen Mann so weinen sehen, drehte mir das Herz um - durfte ihn nicht trösten, wo ich ihn doch so lieb hatte.
Schliefen alle in der Scheune, hatten ein P auf ihrer Kleidung; Kleidung konnte man das gar nicht nennen!
Seine dunklen Augen so tief im Gesicht - vom Hunger ausgezehrt - diese Ohnmacht nicht helfen zu können.
Konnte das gar nicht begreifen alles, das was um mich geschah, mit mir geschah - mit keinem reden können … hat mir so gefehlt … alles kaputt gemacht der Krieg.
Hartmanns Willi, auch so ein Schwein, als Aufseher abgestellt. Was hat er sie schikaniert … wie Hunde wurden sie behandelt.
Mutter sagte, wir sollen uns raushalten, wäre besser so.
War es das?
Nach dem Krieg sich rein gewaschen der Willi – Persilschein, und ab in den Gemeinderat, später sogar Bürgermeister. – Muss ich den Kindern unbedingt erklären, das mit dem Persilschein.
Verbrecher dieser Willi … das Brot mit dem Stiefel in den Acker getreten; eine Stulle, die ich Jakob heimlich zustecken wollte. Habe gebetet, dass Jakob stille hält, mit den Augen ihm ein Zeichen gegeben. Später sagte er zu mir, da hätte er gespürt, die Liebe mit uns.
Ja kocham ciä, Marga. Ja kocham ciä. - Ja, er liebte mich mein Jakob.
Muss mich setzen - kommt alles wieder hoch.
Weglaufen wollt ich mit ihm … aber wohin? War doch Krieg; ich siebzehn, er ein Pole - der Feind.
Wie erkläre ich den Kindern das, was der Krieg aus Menschen macht. All die sinnlose Zerstörung, all die Toten und dieser furchtbare Hass.
Vielleicht verstehen sie - geht doch auch heute noch schrecklich zu auf der Welt. Manchmal mag man gar nicht mehr die Nachrichten hören.
Wie grausam Menschen sein können - die eigene Mutter! … sie ahnte, was mit mir los war - ist damit gleich zum Willi … die eigene Mutter eine Verräterin!
Das hätte sie doch wissen müssen … dass der Willi … tut heute noch weh.
Auf der Flucht erschossen! hieß es dann. Mörder!
Niemals hätte Jakob mich alleine gelassen, niemals.
Möchte immerzu schreien: Schämt euch! Schämt euch! - Aber sie sind alle tot.
Aber der Frieden, der muss leben!
Jasmin; Mitschülerin von Kai
Ort: Schule
Bin stinksauer … wie die den abgewimmelt hat, den Kai. Sie möchte erstmal einige Aufsätze hören und später Bilder zeigen, oder so. Die hat ihn gar nicht ausreden lassen, ihm überhaupt nicht zugehört. – Eine ganze Stunde haben wir mit Kais Oma geredet, alles aufgenommen.
Echt ey, und die anderen glotzen nur, keiner sagt was. Geht’s noch!
Hab ihnen doch in der Pause alles erzählt. Das mit Kais Oma, das mit dem Jakob und dem Mann, der den Jakob erschossen hat und warum und so. Da fanden sie es total irre und wollten unbedingt, dass wir es vorspielen, die ganze Geschichte hören. Ja, sogar sich für Kai einsetzen, dass das klappt.
Ey Leute: WARUM sagt denn keiner was?!
Ich stehe jetzt auf, ich stehe auf und frage sie, warum sie das tun!
(23,4 P.)
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