Freitag, 31. Dezember 2010

Slov ant Gali: Prag 68

Prag 68
 
Panzerrohrmäuler brüllten
in macht-
vollem ton
Still gestanden!
Denken
setze
aus!

Stahlgesäter nutzen
starb
einundzwanzig jahre
später

Da brachte
noch
kein panzer
der welt wieder
deutsch bei 

Heute ist
Panzerdeutsch
weltsprache.

Denken
setze
ein!

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Slov ant Gali: Heckler & Koch

heckler & koch
  
das gewehr
ist nicht schuldig
geschäftsführer
reiben sich
die hände
kugeln
lassen
kassen
klingeln
das gewehr träumt
gut geölt
von staunenden
kindern im
heimatmuseum

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Slov ant Gali: Zapfenstreich

Zapfenstreich
 
Richt´ euch!
Präsentiert das
Gewehr!

wegsehnenswert
solche
MÄNNER
machenden sprüche

dinokreidevorzeitlicher
unkrautstolz
gedient zu haben

ein gewehr
präsentiere ich
nicht

Dienstag, 28. Dezember 2010

Slov ant Gali: Hätte Deutschland gesiegt

hätte Deutschland gesiegt
 

in allen zeitungen würden wir lesen
gleiwitz das seien die polen gewesen
in ihrem slawischen untermenschwesen
ein paar kasernen hätten andere namen
weil mehr kämpfer fürs reich ums leben kamen
und der germane wäre durch sauberes blut
edel und gut


von den russen würden wir erfahren
sie warn bolschewisten vor vielen jahren
diese jüdische krankheit wäre längst schon besiegt
sie hätten was sie verdient gekriegt
der zapfenstreich wäre wahrscheinlich derselbe
ob am reichstag am amur ob an der elbe
und auch am hindukusch würde am deutschen wesen
die welt genesen



wer die macht hat im staat
scheut vor keiner tat
die wahrheit in seinem sinn zu zerklauben
das ihn störende fälschen und beweise zu rauben

also hört endlich auf den medien zu glauben
und lasst sie fliegen eure friedenstauben 

Samstag, 25. Dezember 2010

Slov ant Gali: Yasukuni-jinja

Yasukuni-jinja
 
Im Schrein des Friedlichen Landes
ehrt man Mörder
an fremden Völkern
als Helden 
in der Tradition der Schwerter
vor denen sich alle Arbeit beuge
 
Ein Herr zu Übergestern
sagt Sagt doch endlich Krieg
Auch in unserem Schrein
des Friedlichen Landes
sollen Mörder die ich schickte
wieder Helden heißen.

Freitag, 24. Dezember 2010

Slov ant Gali: NO NATO

 
der erwünschte terrorist
lädt sich
behördlich beobachtet
bombenbaupläne
aus dem netz
und explodiert
bei ihrer erprobung

als beweis
permanenter bedrohung
unserer festung freiheit
erobert er die
BILD seite 1

ich lade
vielleicht auch
behördlich beobachtet
friedenskleiderschnittmuster
aus dem netz
und explodiere nicht
bei ihrer erprobung
 
uniformen
wie hässlich
zerfallen
im moder der zeit

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Slov ant Gali: Bert Brechts Der Rauch bekommt Im Krieg eine andere Bedeutung ...

 
Das kleine Haus

Unter Bäumen am See

Vom Dach steigt Rauch
(Fehlte er)
Wie trostlos (dann wären)

Haus, Bäume und See

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Slov ant Gali: Ein Prost allen alten Kameraden

 
Wenns um mich mächtig dröhnt,
wir sind dabei gewesen,
dann wird der Krieg geschönt,
und´s fließt und schäumt am Tresen.

( Wann bin ich endlich tot
als Sieger voll Promille
wann endlich sinkt mein Lot
auf absolute Stille. )

Bei Kurzem und beim Bier
ging mir der Geist abhanden,
bekenn ich bis um vier,
dass ich die Welt verstanden.

Nun hat es mich entschieden,
ich steh nicht auf zum Lauf
und was da fließt in Frieden
nimmt meine Hose auf.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Slov ant Gali: Fronturlaub

 
 
Ich

Ich bringe

Ich bringe um

Ich bringe nicht um

Ich bringe nicht Menschen um

Ich bringe nicht mehr Menschen um

Ich bin nicht mehr Mensch

Ich bin nicht Mensch

Ich bin nicht

Ich bin

Ich

Montag, 20. Dezember 2010

Slov ant Gali: Ins Bild gelaufen

Gebranntes Kind Kim Phuc …

 Fotos
entfliehe ich.
Wenn das Wetter stetig ist,
kommt die Luft leicht und
die unsichtbaren Narben
schlafen. 

Dem Piloten,
dessen Last mich nicht ganz
verfehlte,
gab ich die Hand.
Nachts
jagt ihn
mein schreiender Kinderleib;
er hat ihn
gesehen!

 

 … und Kommandeur John Plummer

Manchmal
schließe ich
meine Augen
um die Mittagsstunde
und ringsum spielen Kinder
mit Vätern
ohne Schuld.

Freitag, 17. Dezember 2010

Slov ant Gali: mein rosengedicht

 
und wenn es
ein rosenkranz sein müsste
so betete ich
endlose ketten für
knoten in rohren
verglühende drohnen
unausklinkbare bomben
 
 
und weil
es kein rosenkranz ist
der hilft
wünsche ich mir
rosenworte
für mein rohrkrepierergedicht
und dass
deine sinne
noch wach sind

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Slov ant Gali: An einen fragenden Pazifisten

  
Heute schon
Warum
gefragt?
Drehe die Frage
als Schlüssel im Schloss
 
Suche
die Türen
zu dem Raum
den wir gemeinsam
aufräumen müssten
 
Ans Klingelschild
gehörte
Wir verdienen dran
 
Hier werden aus
Honigbienen
Mörderbienen
 
Mit Warum
beginnt die Lehre
zum Kammerjäger
gegen die
auf deren Klingelschild
so vieles steht
außer
der Wahrheit

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Slov ant Gali: Spaniens Himmel

Manchmal 
die einzig
richtige Entscheidung
Gewehr
in die Hand
gegen die
Krieger,
bevor die Welt
in Scherben fällt
 
Ihr, Brigaden
habt wenigstens
versucht,
die Flut
zu dämmen
 
Warum nur
suhle ich mich
in der
Matratzengruft
des Zweifels

Dienstag, 14. Dezember 2010

Slov ant Gali: Was wir schon besser wissen


Als
den Weisesten der Weisen
des geschlagenen Reiches
vor die Füße werfen.
lange vor unserer Zeit,
die eroberte Stadt brannte,
ließ sich der siegreiche Feldherr
 
Siehst du nun,
sprach er mit ausladender Geste,
dass meine Größe
über alle Zeiten hinweg
die Winzigkeit normaler Sterblicher
überstrahlen wird?
 
Eher, so sprach der Weise,
dreht sich die Erde
um die Sonne,
dass in Tausend Jahren
ein vernünftiges Wesen
sich Deiner
ohne Abscheu erinnert.

Der Sieger des Tages
lachte schallend.
Noch bevor sich
die Erde bis zum nächsten Sonnenaufgang
gedreht, haha, die Erde ..., haha, gedreht hat,
wird der Kopf, aus dem solch Unsinn kam,
von seinem Rest getrennt.
In meiner Welt
dulde ich nur
vernünftige
Menschen.

Montag, 13. Dezember 2010

Slov ant Gali: Dasselbe tun oder Seit fünf uhr fünfundvierzig ...

 
Einer
schießt zurück.
Ein zweiter
schreibt ein Gedicht,
in dem sich Glück
auf schießt zurück
reimt.
Beide kämpfen
dass nie wieder
jemand schießt
 
Ein dritter
schießt zurück
Der vierte
schreibt ein Gedicht
in dem sich Glück
auf schießt zurück
reimt
Beide teilen sich
die Beute der Kugeln.
 
Habe ich
ihre gleichen Worte
genug gewogen
gerecht zu
urteilen?

Sonntag, 12. Dezember 2010

Slov ant Gali: Weihnacht

Weihnacht
die botschaft
vernahm ich wohl
allein
der glaube
fehlt

ich hoffe
das kind wird
noch geboren
in dessen namen
kein gewehr geweih-
nachtet wird

bis dahin
meine hand
denen die sagen
du sollst nicht töten
es nicht tun
und andere
nicht tun lassen

meinen sack
fülle ich
mit kalaschnikows
geladen mit
frieden

Samstag, 11. Dezember 2010

Slov ant Gali: 6. August, 5.45 Uhr

6. August, 5.45 Uhr
 

Durch den Mittag stürzend
suche ich den Stein,
der meinen Schatten
fasst.
Ich habe seinen Preis
bezahlt.
Kassandra schweig!
Wolken
glauben erst an Regen,
wenn der Himmel explodiert.
Ein Zauberspruch
für Gegenwind?
Luftworte der Erinnerung.

Hände erkalten
langsam in der Asche.

Freitag, 10. Dezember 2010

Slov ant Gali: Origami für Hiroshima

 
(1)
falte kraniche
kunstvoll aus papier
beschreibe sie
mit deinen 999 wünschen
und lass sie davonfliegen
der tausendste
so sagt
die legende
kommt zu dir
zurück
einen wunsch
zu erfüllen
 
 
(2)
wenn kranichvögel klein sind
wissen sie noch nicht
wie schön sie einmal
tanzen können
ängstlich stehen sie
auf nur einem bein
 
manche
heißt es
hören nie auf
nur traurig
den anderen
zuzuschauen
 
(3)
mein kleiner kranich
warum
flogst du fort
nach dem
neunhundertachtundneunzigsten
gefalteten papier
so gern
schaute ich dir
beim tanz zu
 
(4)
einmal
wird kein mensch mehr
kranichtänze
beobachten
zählen
wie viele gefaltete träume
dem fluss
vertrauen
wunder werden
vergessen sein
 
 
 
(5)
auf dreihundert
blätter erst
habe ich
ein wunsch-gedicht
geschrieben
der moment
sei nie
geschehen
schnell
versinken
traurige worte
im fluss

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Slov ant Gali: Für Victor Jara, 1973

Für Victor Jara, 1973

 
Verloren ging
mein
elfter September.
 
Es ist der Tag nicht,
den sie
besetzten!
 
Niemand wurzelt
aus ihm
seinen Terror.
 
Mein elfter September
liegt
in älterem Grab.
 
Meiner
ließ die Gitarre
brechen.
 
Meiner
ließ die Hände
zerschlagen.
 
Meiner
ließ Hoffnung
erschießen.
 
Wenn du das unscheinbare Grab findest,
setze darauf
eine Rose.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Slov ant Gali: jahres-tage

jahres-tage
 
Ein Jahr hat eine so begrenzte Zahl an Tagen,
dass im Jahrhundertlauf geschehen muss,
dass jedes Datum, fängst du an zu fragen,
bereits empfing Erinnyens Todeskuss.
 
Weil kein Kalender bersten kann von Grauensschauen
und wer als Tagessieger überlebt ihn schreibt,
gelang ´s Septemberelf zum Mythos aufzubauen,
bevor die Schuld geklärt ist, wer als Mörder bleibt.
 
In alle Kriege sich verhindernd einzumischen
ist der Kalenderschreiber namens Zukunft noch zu schwach.
So lob ich jeden leichenarmen Tag dazwischen
und hoffe auf das Schaltjahr ohne Krach.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Slov ant Gali: Vom Mehlpaket oder Auge um Auge ...

Mehl wird Fladen, Mehl wird Brot,
Mehl ist Hoffnung gegen Not.
Mehl ist nicht der Waffen Macht,
die ihr meinem Volk gebracht.

Also danke ich von Herzen mit ner Tüte im Paket,
auf dem groß, für jeden lesbar, für Frau Merkel, Deutschland, steht.
Abgesandt von Ali Hammid, einst gebor´n im Kundus-Land,
das durch Hilfe aus den Lüften nun zu Mehl, sprich Hoffnung, fand.

Und sie räumten alle Räume rundherum um diesen Gruß.
Oh, das Mehl ist weißes Pulver; sie stehn da, bereit zum Schuss.
Oh, wie stehen sie umkleidet: Burkas zum Mikrobenschutz.
Und in einem sichren Bunker wird gesprengt der Nährstoffschmutz.

Und dann haben sie umzingelt mir mein kleines deutsches Heim,
und im Schutze der Gewehre dringen sie zur Nachtzeit ein.
Und weil ich so überrascht war, habe ich mich schnell bewegt.
Deshalb hat man präventiv mich dauerfeuernd umgelegt.

Und der Raum mit meinem Mehlgruß bleibt für Wochen isoliert,
denn wer wagt vorauszusagen, wozu Mehl in Deutschland führt.


Mehl wird Fladen, Mehl wird Brot,
Mehl ist Hoffnung gegen Not.
Mehl ist nicht der Waffen Macht,
die ihr meinem Volk gebracht.

Montag, 6. Dezember 2010

Slov ant Gali: Anne (1)

Anne (1)
 
Manchmal male ich mir aus,
du hättest überlebt und
ich deine Enkelin
auf dem Schulhof getroffen.
Irgendwann wäre sie
zu dir gekommen,
hätte gesagt,
Oma, da guckt ein Junge
immer so komisch zu mir rüber.
Lächelnd hättest du gefragt,
möchtest du das denn nicht?
Und sie,
viel weniger blass als du
in ihrem Alter,
wegen der dauernden Sonne im Gesicht
und auch errötet
hätte kaum hörbar gehaucht
Doch.
Aus deiner Antwort wäre
mein Glück erwachsen
 
Deine Augen
du weißt wie sehr ich
schwarz funkelnde Augen
liebte
wie haben sie
Jahre später
das Erschrecken
zu verbergen versucht
als du hörtest
deine Urenkelin
solle Sarah heißen

Anstatt zu fragen warum
murmeltest du
ein schöner Name.

Manchmal hasse ich
den Bücherschrank an Stelle
der unbekannten Soldaten die
als ihre Pflicht
dein Leben zerstörten
Mit dem Tagebuch
bleibst du ewig
Mädchen

anstatt mir
deine Enkelin
zur Frau zu geben.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Slov ant Gali: Anne (2)

Anne (2)
 
Die
in der Schule
in deinem Tagebuch
lasen,
mitfühlend vielleicht
deine Kellerqual,
mithassend vielleicht
mordende Deutsche,
mitfürchtend vielleicht
Bombenwerfer,
legen nun Teppiche
von Bomben
in Wohnungen
fremder Annen,
bunt geknüpfte
Teppiche aus
Renditen und Dividenden

anderer.

Samstag, 4. Dezember 2010

Slov ant Gali: Abea (Teil 3 + Schluss)


Sam und Samantha bemerkten in ihrem erwartungsvollen Glück die Angst in Abeas Augen nicht.
Auf das Schwesterchen freute sie sich. Die Mum war ganz anders, wenn sie, Abea, an ihrem Bauch horchen wollte, was denn das Kleine darin so empfinde. Stundenlang hörte Samantha dem Mädchen zu, wenn es so lustig die angeblich gerade erlauschten Gedanken des künftigen Schwesterchens nacherzählte.
Nein. Das war es nicht.
Aber die Klasse hatte sich verändert.
Abea war Hobbes lange aus dem Weg gegangen. Das, was sie an Gedanken aus seinem Kopf hörte, quälte sie. Was konnte sie denn dafür, dass sein Vater von dort unten die tödliche Krankheit, ihr Dad dagegen sie mitgebracht hatte?
Dann merkte sie, dass sie immer mehr Mitschüler mieden. Wie eine Fahne zog sie den Titel „Schwarze Hexe" hinter sich her. In ihrer Gegenwart sprach ihn niemand aus, aber das war vielleicht noch schlimmer: Es aus den zurückgebliebenen Gedanken der anderen lesen zu müssen, wie sie in ihrer Abwesenheit über sie hergezogen waren.
Hobbes war größer, älter und kräftiger als die anderen. Auf dem Heimweg von der Chorstunde, die jetzt auch keine richtige Freude für Abea mehr war, stand er plötzlich mit fünf anderen Jungs vor ihr. „Na, Cleopatra, bist du eigentlich beschnitten? Ihr Araberweiber sollt ja so scharf sein, dass ihr es anders nicht aushalten könnt. Na, ich beschneide dich gern. Wo auch immer."
Sie hörte die anderen denken, lass den Quatsch, was soll das! Aber keiner sagte etwas. Sie konnte sich losreißen, rannte, rannte, rannte.
Zu Hause redete gerade die Mutter von Samantha auf Abeas Pflegeeltern ein, ohne das Kind in der Tür zu bemerken: „... Wir haben dreißig Rollen bekommen. Wir dachten, am Wochenende tapezieren wir zusammen. Rosa Wölkchen. Sind die nicht niedlich?"In der Schule häufen sich in letzter Zeit die Fälle von ... Also, wenn es nicht so verrückt klänge, dann würde ich sagen Strahlenkrankheit. Genau genommen betrifft das die ganze Klasse Ihrer Tochter bis auf ... na, eben bis auf Ihre Tochter selbst."
Samantha hatte sich erhoben.
Mrs. Widerman war ebenfalls aufgestanden.
Das kann ja wohl nicht wahr sein."Ich glaube es natürlich auch nicht. Aber an mich ist von mehreren Eltern die Bitte herangetragen worden, mit Ihnen zu sprechen. Sie mögen Ihr Kind aus unserer Schule nehmen. Wie gesagt, das ..."
Samantha stürmte wutentbrannt heim. Kurz vor ihrem Haus traf sie ein Stein in der Nierengegend.
Stumm horchte Abea an Samanthas Bauch, dort wo jetzt nichts mehr zu hören war. Sie spürte die Hand der weinenden Mutter auf ihrem Kopf, aber sie hörte auch deren Gedanken.
Wenn du nicht wärst, dann wäre bald mein eigenes Kind da.
Leise war hinter ihnen die Tür aufgegangen. Müde warf Sam seine Tasche in eine Ecke, so dass sich „seine beiden Frauen" erwartungsvoll zu ihm umdrehen.
Ich versteh schon! Auf Wiedersehen!"
Das Mädchen sprang auf, lief die Treppe hinauf, schloss sich in ihr Zimmer ein, warf sich aufs Bett und prügelte mit der Stirn auf das unschuldige Kopfkissen ein.
Oh, könnte sie doch endlich die fremden Gedanken von sich fern halten. Nein sie war kein Monster! Nicht einmal „Unser Monster", wie in Mums Gedanken! Nein, das schon gar nicht.
Abeas Werte sind jetzt okay. Burkland konnte nicht die geringste Radioaktivität mehr in ihren Zellen feststellen."Am nächsten Morgen stiegen nur noch vereinzelt Qualmwölkchen aus dem niedergebrannten Haus der Mc Faddens. Samuel Mc Fadden hielt seine zitternde Frau in den Armen. „Nicht auch noch Abea, nicht auch noch Abea!"
Wortlos verzog sich Abea auf ihr Zimmer.
Wieder ist eine Stunde um.
Auf dem Schreibtisch liegt eine verschmierte Notiz. „Von einem etwa zehnjährigen Mädchen, welches ein Armeeangehöriger namens Mc Fadden oder wie auch immer angeblich aus dem Krieg mitgebracht haben will, ist im Stab nichts bekannt." Mir ist so egal, ob Sam sich Abea ausgedacht hat, um sich vielleicht für ein Kind zu entschuldigen, das dank seines Einsatzes gestorben ist, er bei mir nur Bestätigung sucht, dass er nicht anders hätte handeln können, oder was auch immer. Ich habe mein Geld damit verdient zuzuhören. Ich möchte nicht mehr darüber reden. Ich verabschiede den halb mumifiziert wirkenden Mann mit einem Händedruck. Die letzten Worte seiner Geschichte klingen in mir nach: „Für einen Moment, einen winzigen, aber eben einen vorhandenen Moment, ging mir durch den Kopf. Ach wäre sie doch damals schon mit verbrannt ..."


Die Erzählung "Abea" wurde veröffentlicht im Band "Mein außerirdischer Liebhaber" utopische Erzählungen in der Dorante Edition 2009.

Freitag, 3. Dezember 2010

Slov ant Gali: Abea (Teil 2)


Es war schon ein seltsames Gefühl. Zur Schule gehen. Mit Kindern, die hier groß geworden waren, alle Wörter kannten, die fremden Dinge, die sie bezeichnen sollten, ja, die sogar genauso aßen wie ihre Nachbarn.

Das hatte ihr Sam erklärt, den sie jetzt Dad nennen sollte. So tat sie es auch, als sie allein mit der Lehrerin vor der Klasse stand. Trotzdem lachten die meisten. Vielleicht hatte sie die Laute nicht richtig betont.
Mrs. Widerman winkte. Daran erkannte Abea, dass vorn dort war, wo die anderen Kinder hinsahen, wenn sie sich nicht gerade feixend wie jetzt zu ihr umdrehten.
Mrs. Widerman fragte so boshaft, als wäre völlig klar, dass Abea nicht wissen konnte, wie viel zwei plus drei sei. Aber sie dachte dabei fünf, so dass Abea laut „Fünf!" sagte, und auch, als die Aufgaben schwieriger wurden, dachte die Lehrerin immer an die Lösung, die Abea nur laut nachsagen brauchte.
Viel hatte Abea nicht verstanden, aber weil alle ihre Antworten richtig gewesen waren, galt sie von nun an als Rechenass. Rechnen war auch leichter als die fremde Sprache, von der man so viele Worte mit so vielen Bedeutungen behalten musste, und David, der immer am lautesten dachte, formulierte so viele falsche Sätze.
Abea lernte schnell.
Trotzdem war sie traurig. Mathew hatte immer solche Angst vor dem Unterrichtsschluss. Sie fragte ihn, warum er nicht mit den anderen loslaufe.
Sag, ich heiße Abea!"
In der nächsten Pause jedoch stellte sie sich vor Hobbes hin.
Lass mich in Ruhe", antwortete er abweisend. Aber da kamen schon Hobbes und dessen Gang und schlugen auf den kleinen schwarzen Jungen ein. Überrascht und hilflos stand Abea daneben.
Die anderen aus der Klasse bildeten einen Kreis um sie. Hobbes grinste. Sein Gedanke kam genauso schnell oder langsam wie seine Worte: „Weils einfach Spaß macht. Aber wir können ja auch dich nehmen."
Fast alle lachten.
Nur Benny stand in der Ecke und dachte, Mädchen schlägt man nicht. Er fürchtete sich, das laut zu sagen. So war Abea am Schluss der letzten Stunde auf ihn zugegangen, hatte ihn an der Hand genommen und war mit ihm schweigend durch die Gasse der verwirrten restlichen Jungen geschritten.
Warum lässt du Mathew nicht in Ruhe?"
 Längst wusste ich nicht mehr, wer ich und wer Sam war, und wer ... Nein, natürlich wusste ich um Abea. Aber in meinem Gehirn verschwamm Sams Erzählung mit Bildern, die sie heraufbeschworen, zu einem neuen Film. Anfangs hatte ich mich noch gefragt, wieso er von Erlebnissen Abeas erzählen konnte, bei denen er nicht dabei gewesen war. Irgendwann bildete ich mir aber selbst ein, manche Szene mit den Augen jenes Mädchens zu erleben. Da wusste ich schon nicht mehr, ob ich nicht selbst die Geschichte neu erzählte. Ich fertigte keine Protokolle mehr an, ich beschwor genau wie Sam das Mädchen Abea als Geist herauf, und sie erschien mir, weil ich - wie Sam - nicht sein wollte, wie ich in Wirklichkeit war.Aus der kleinen Schule von Louisville hatten sieben Jungen ihr geregeltes Einkommen in der Armee gefunden. Sie alle überstanden das Abenteuer Krieg lebend. Doch nur wenige Wochen, nachdem sie wieder sicher im heimatlichen Stützpunkt waren, sahen die Jungs fast täglich ausgemergelter aus. Mit Beginn von Abeas nächstem Schuljahr war von allen nur noch Sam am Leben. Im Drugstore hatte Samantha den Eindruck, als brächen alle Gespräche ab, kaum, dass sie zur Tür herein kam. Sam, ich habe den Eindruck, die warten richtig darauf, dass du endlich stirbst."
Trotzdem karrte er seine Familie zu Burklands Spezialklinik.
Der Chefarzt begrüßte sie zum Auswertungsgespräch mit einem entspannten Lächeln.
Aber Samantha! Glaub mir, da können sie lange warten."
Sie wollten schon aufstehen, da lächelte der alte Arzt richtig spitzbübisch.
Sie sind so gesund wie eh und je. Und was ihre Abea angeht: Es hat sich nichts verändert. Alle Werte wie damals. Was soll ich sagen? Die Katastrophe kann unmittelbar vor der Tür stehen, aber inzwischen hätte ich genau wie Sie Hoffnungen auf ein glückliches Ende."Ach ja, Mister Mc Fadden, apropos Hoffnungen. Ihre Frau meinte, aus meinem Mund glauben Sie es am ehesten: Rechnen Sie mit dem ersten eigenen gemeinsamen Nachwuchs. Für Sie wird scheinbar alles Unmögliche möglich."
Schwarze Hexe!", rief Hobbes. Aber Abea hätte nicht sagen können, ob das abschätzig oder zumindest etwas anerkennend gemeint war.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Slov ant Gali: Abea (Teil 1)


 
Möchte ich in fremden Gehirnen lesen können, vor allem jetzt in seinem ... wo ich sowieso schon zu viel weiß? Für meinen Beruf wäre es von Vorteil. In diesem Fall aber? Nein, wahrscheinlich möchte ich es nicht.
Ich leite den Mann zu dem Platz, an den er sich in den Sitzungen gewöhnt hat. Ich ahne, was wirklich war, aber sträube mich, wie er, gegen die Wahrheit.
Er hatte sich freiwillig gemeldet. Sondereinsatz, Sonderprämie. Sie übertrugen die Erfahrungen ihrer langjährigen überlegenen Demokratie auf das Land dieses Diktators. Klar, wurde auf sie geschossen, mussten sie für Ordnung sorgen, Waffen einsetzen, die mit Splittern und mit Strahlen alle potentiellen Mörder und Terroristen für immer handlungsunfähig machten. Dann entstanden schon einmal Berge von Menschenteilen, die sie nicht liegen lassen konnten. Schließlich waren sie hier, um Ordnung zu bringen. Und er war dran, im Schutzanzug die Terroristen zu einem Haufen zusammenzukarren, damit sie umweltverträglich entsorgt würden.
Da entdeckte er sie.
Es war eigentlich unmöglich. Die eingesetzten Befriedungsmittel durften kein Zucken zurücklassen. Doch ihre Augen sahen ihn an. Sie waren groß und wunderschön. Dunkel wie die feuchte, fruchtbare Krume seiner Heimat, frisch durchgegrubbert nach der Schneeschmelze im März. Sie schienen zu sagen, ich habe dich lieb, du Gespenst. Ich will dich retten. Hatte er das gelesen? Von diesem Gespenst von Canterbury? War er das Gespenst, das gerettet werden musste?
Er achtete nicht auf die anderen ringsum. Sah nur dieses Mädchen. Zog es aus dem Körperberg hervor. Es war verschwitzt. Eine kleine Schramme an der linken Schläfe wurde vom sandigen schwarzen Kraushaar halb verdeckt, ansonsten aber schien es unverletzt. Das Kleid oder wie man dieses Kleidungsstück nennen mochte, Burnus oder so, war gleichfalls an der linken Schulter zerrissen, so weit, dass es eine bubenhafte Brustwarze hervorschauen ließ. Das Mädchen hatte nicht die Kraft, die Blöße zu bedecken. Leben war nur noch in seinen Augen.
Für einen Moment wollte er das Kind zu dem restlichen Haufen stoßen. So verstrahlt, wie es war, würde es sowieso bald sterben. Ein Gnadenschuss würde es vor Qualen bewahren. Aber da war immer noch dieser Blick, diese Augen.
Was für ein Unsinn! Was dachte er ausgerechnet jetzt an Samantha, die so gern ein Kind gehabt hätte? Ein unbegreiflicher Reflex bewegte seinen Mund: „Wie heißt du, Mädchen?"
Er dachte sofort: Sam, bist du blöd! Sie kann dich nicht verstehen. Du müsstest durch deinen Anzug viel lauter sprechen. Und selbst dann - wie sollte dieses Mädchen deine Sprache verstehen?
Da hörte er Laute aus ihrem Mund: „Heißt du Mädchen Abea."
Der Sergeant Samuel Mc Fadden packte das Kind an den Armen, schleppte es von dem Haufen fort zu seiner Batterie, und er drehte sich auch nicht um, als hinter ihm die Flammen mit einem dumpfen Puffen anfingen, den anderen Körpern Gnade zu erweisen.

Sie war über eine Schwelle getreten.
Hinter ihr war nichts, jedenfalls nichts, woran sie sich hätte erinnern können. In diesem Moment wusste sie nicht mehr, was sie jemals erlebt hatte, vor allem nicht, was gerade passiert war. Nur, dass sie sich nicht bewegen konnte. Um sie herum stank es fürchterlich und niemand war da, bei dem sie das hätte beklagen können.
Plötzlich stand ES vor ihr. ES war sehr groß, glänzte weiß, hatte keine Haare, keinen richtigen Mund, aber riesige ovale Augen. Beine auch, aber die bemerkte sie erst später. Sie bestaunte die fremden Riesenaugen.
Du wirst mir nichts tun. Ich habe dich lieb. Ich habe überhaupt keine Angst vor dir. Ich habe dich lieb.
Abea wunderte sich. Deutlich verstand sie, dass ES an eine Samantha dachte. Die hatte traurige blaue Augen und locker auf die Schulter fallende Haare von der Farbe der Wüste bei Windstille. ES dachte Gnadenschuss und Abea hätte zu gern gewusst, was das bedeutete. ES wollte wissen, wer sie war. Und Abea nahm die Worte von IHM und ergänzte ihren Namen.
Abea zögerte. Sie wollte zurückfragen, aber ES würde sie ja nicht verstehen. Da riss ES sie nach oben, und Abea sah vor sich einen schwarzen Himmel.
Ich kann Ihnen das nicht erklären. Glauben Sie mir. Ich würde gern, aber ich kann es mir selbst nicht erklären. Die meisten Zellen ihrer Abea sind radioaktiv aufgeladen. Aber sie strahlen nicht nach außen. Und das Seltsamste: Ich kann bisher keinerlei krankhafte Veränderungen feststellen.・Bitte, Herr Doktor, reden Sie Klartext! Wie lange hat sie noch zu leben?"Das kann ich einfach nicht sagen. Der Strahlenbelastung nach wäre sie längst tot, von der Wahrscheinlichkeit her muss die Strahlenkrankheit bald bei ihr ausbrechen. Spätestens dann bleibt Ihnen nichts mehr zu tun, als der Kleinen die Leiden zu mildern."
Der alte, bedächtig sprechende Chefarzt der Spezialklinik vermied es, Samantha und Samuel Mc Fadden in die Augen zu sehen.
Sie finden unsere Idee also verrückt?"
In diesem Augenblick ging die Tür auf. Für einen winzigen Moment stand Abea abwartend da, die Klinke in der Hand, die dunklen Augen funkelten Sam an. Dann flog sie ihm entgegen, als hätte sie einen kräftigen Tritt bekommen. Sie landete auf seinem Schoß, und ihre Arme zogen Samanthas Kopf zu sich heran, drückten ihn und krabbelten mit den Fingern durch die blonden Haare, als suchten sie darin wenn schon nicht Läuse so doch wenigstens Wüstensandkörner.
Bitte fragen Sie mich nicht! Ich an Ihrer Stelle würde mir das alles noch einmal gründlich überlegen."
Und das Kind warf dem Mann in dem Kittel einen trotzigen Blick zu. „So lange es geht, lebt Abea als unser Kind", wiederholte es störrisch.
Auf der Straße in die Kleinstadt, dort, wo man mehr als fünf Achtel des Himmels über sich sah, schwieg Sam vor sich hin. Seine freie Hand lag in der linken Samanthas.
So lange es geht, lebt Abea als unser Kind", entschied Sam, wobei er abwechselnd zu Abea und dem Arzt blickte.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Ankündigung

Hier entsteht in Kürze das neue Friedensblog, das die Friedensblogs auf over-blog ablösen soll.
Begonnen wird mit den Friedenstexten von Slov ant Gali.