Samstag, 4. Juni 2011

Michael Feindler: Kriegsmärchen


Es war einmal ein Offizier,
der sprach zu einem Heer Soldaten:
„Vernichtet alle ander'n Staaten!
Denn Krieg steht wieder vor der Tür!
Genauso, wie den Feind im Süden,
erstecht den Gegner hoch im Norden!
Man zittere vor uns'ren Horden!
Zerstört das letzte Bisschen Frieden!“
Er rief es laut, mit stolzem Blick,
die Stimme voller Euphorie.
„Zwingt alle Feinde in die Knie
und kehrt mit einem Sieg zurück!“
Da sagte jemand unbefangen:
„Wir wollen niemanden erschießen
und sinnlos Menschenblut vergießen.
Uns ist die Lust am Krieg vergangen.“
Das war der allergrößte Spott,
den je der Offizier erfahren.
In seinen zwanzig Arbeitsjahren
gab's niemals einen Kriegs-Boykott
„Gehorcht!“ ertönte bald sein Brüllen.
„Verweigerung ist Hochverrat!“
Es widersprach ihm ein Soldat:
„Wir haben einen  
eig'nen Willen.“
Historisch wirkte diese Stunde
– hier war Unmögliches passiert.
Der Offizier schien irritiert
und schaute hilflos in die Runde.
Er gab sich irgendwann geschlagen,
denn  
er war in der Unterzahl.
Ihm blieb jetzt keine and're Wahl,
als alle Kämpfe abzusagen.
So siegte die Soldaten-Seite
mit frischem Pazifismus-Wind,
und wenn sie nicht gestorben sind,
dann herrscht der Frieden auch noch heute.
Anmerkung:
Es weiß doch wirklich jedes Kind,
dass Märchen bloß erfunden sind!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen