Mittwoch, 5. Januar 2011

Ralf Burnicki: Großmutter Ghohar

Dir, edle Ghohar, Haushälterin,
Tochter von Akbar und Manzar,
will ich dies Bild malen, und hoffen,
daß es deine Knieschmerzen lindert,
wissend, daß das Leben, das dich schmerzt,
jenes Brot ist, mit dem du viele gesättigt hast
und daß du all deine Kraft
den Menschen eingeschenkt hast
wie glasklares Wasser, das
aus den Bergen quillt.
Beschenkt und empfangen wurden die Deinen
von deiner Bescheidenheit,
und deine Hand war als Windschutz
vor unruhige Zeiten gespannt
 
Edle Ghohar, eine wunderschöne Landschaft
ist dein Gesicht, in dem dein Alter
die Jahreszeiten spazieren führt,
um ihnen die Welt zu erläutern.
Doch mehr noch ist dein Lächeln
aus heiterem Himmel die ursprünglichste
Erklärung des Menschenrechts.
Dies also meint die Sonne, wenn sie morgens aufgeht
und deine Herzenswärme nachahmt.
Dies meint der Frühling, der wohl bei dir in die Schule ging
und seitdem jede Freundschaft mit Licht begießt,
denn Freundschaft ist die menschlichste aller Blumen.
Sie mag dich dankbar Großmutter nennen,
weil es jener Großmut ist,
aus dem all die Farben gemacht sind,
von denen die Schönheit des Menschen abstammt
 
Ralf Burnicki
________
 
1) Ghohar Badmasiah stammte aus einer Hirtenfamilie, ursprünglich Nomaden. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Gedichts (2004) war Ghohar über 70 Jahre alt. Eigene Kinder blieben ihr verwehrt, als Haushälterin war sie jedoch zugleich Erzieherin mehrer Kinder, so dass sie von ihrem jeweiligen Haushalt als fester Teil der Familie angesehen wurde/wird. Ghohar lebte in Sirjan / Iran und steht hier stellvertretend für eine bestimmte Gruppe älterer Frauen.

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